Ein Gedanke ein Weg Bau einer Diesellok der DR-BR 199 - Das so genannte Harzkamel

Im Sommer 2003 wurden dem Vorstand des SEV von Herrn Bolz aus Karlsruhe wesentliche Teile für den Bau eines „Harzkamels“ in 7 ¼“ als Schenkung angeboten. Auflage der Schenkung war, die Lok absolut originalgetreu zu bauen.

Nach kurzer interner Beratung stand fest: Die Lok wird gebaut. Als Konstrukteur war Otto Valentin, ein "Altmeister seines Fachs", schnell ausfindig gemacht.
Die Fertigung von Teilen und den Aufbau übernahmen Peter und Jens Schlawin, die ihr Können auch schon mehrfach unter Beweis gestellt haben.

Im Spätsommer 2003 war es soweit: Die Teile für die Lok wurden in Karlsruhe abgeholt. Sie bestanden u.a. aus dem Rahmen, Aggregat, Räder, Motoren und Elektronik-Baugruppen.

Nun konnte mit der Konstruktion angefangen werden.

Anschließend wurden unzählige Laserteile bei einer Firma in Auftrag gegeben und weitere unzählige Stunden wurden an der Drehbank und dem Frästisch verbracht.

 

In den Wintermonaten 2003/2004 wurde dann in den Werkstätten unserer Mitglieder Valentin & Schlawin fleißig gebaut.

Aufbau im Winter 03/04:

Fertigung des Fahrgestells mit Motoren, Elektronik, Druckluftbremse, Drehgestellen, Montage des Stromaggregats zum Batterienladen, ...

 Im Januar 2004 konnte dann im Schnee eine "Probefahrt" mit dem Fahrgestell gemacht werden.

Nach erfolgreicher Fahrt wurde dann im Frühjahr und Sommer 2004 der Lokkasten aus Holz gefertigt.


Hier sieht das Harzkamel richtig "klein" aus. Wenn man aber bedenkt, dass das Bild in einer Garage gefertigt wurde und die Lok dort quer steht, wird die eigentliche Dimension schnell klar.
 

Dann war es nach über einjähriger Konstruktions- und Bauzeit soweit: die Probefahrt in Kürnbach.


Mit Vollgas in die Kurven: Peter Schlawin und Otto Valentin bei der Testfahrt

Beim 1. Kürnbacher E-Lok-Treffen, Ende September 2004, wurde dann die neue
und nun fünfte SEV-Lok im Rollout präsentiert:


Stolz auf ihr Werk: Die Erbauer (v.l.n.r.) Peter Schlawin, Otto Valentin und Jens Schlawin.
Nicht auf dem Bild Herr Bolz, der dem SEV viele Rohbauteile der Lok schenkte.

 

Und hier der Bedienwagen:

Technische Daten und Antriebskonzept

Maßstab: 1:5,4

Spurweite: 7¼ Zoll

Maße: über 2,50 m lang und über 50 cm breit

Gewicht: ca. 350 kg

Druckluftbremse auf die Räder wirkend

Bauzeit: über 1 Jahr und über 500 Arbeitsstunden

Das ursprünglich gewählte Konzept eines benzin-elektrischen Antriebes mit zwei Fahrmotoren und einem 230 V-Stromaggregat mit nachgeschaltetem Ladegerät und Pufferbatterien bewährte sich aus verschiedenen Gründen in der Praxis nicht.
Es wurde daher im Sommer 2007 auf reinen batteriegespeisten E-Antrieb umgerüstet mit folgenden Daten:

Das Innenleben des jetzigen Antriebskonzeptes

Der "Schenkungsbedingung", dem vorbildgerechten Bau, wurde vollkommen Rechnung getragen.


Bild aufgenommen 1991 von Andreas Kube

Und nun ein paar Daten zum Vorbild:

Anfang der 1980er Jahre beabsichtigte die Deutsche Reichsbahn (DR), die Dampfloks im Harz durch Dieselloks zu ersetzen. Dafür gab es mehrere Beweggründe. Einerseits war klar, daß für die verschlissenen Dampfloks (Risse in Rahmen und Zylindern u.a.) in absehbarer Zeit Ersatz geschaffen werden mußte. Andererseits wollte man bis auf wenige Traditionsloks die Dampfloks für Devisen in das westliche Ausland verkaufen. Neubau-Dieselloks aus nichtsozialistischen Ländern zu beschaffen, kam wegen der erforderlichen "harten" Währung nicht in Betracht. Innerhalb der sozialistischen Staaten war Rumänien für die Produktion von Dieselloks mit hydraulischer Kraftübertragung zuständig. Mit den aus Rumänien gelieferten Loks der Baureihe 119 hatte die Reichsbahn jedoch schlechte Erfahrungen gemacht. Der einzige noch in der DDR existierende Lokhersteller "VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke Hennigsdorf (LEW)" war mit der Produktion von Elektroloks ausgelastet. So blieb als Ausweg nur der Umbau von normalspurigen Dieselloks auf Schmalspur.

Von den ersten Überlegungen im Jahr 1982 bis zum Umbau der ersten Lok verging einige Zeit. Für den Umbau wurden Streckendieselloks vom Typ V1002 mit Ordnungsnummern ab 110 800 ausgewählt. Diese vierachsigen dieselhydraulischen Loks waren die "jüngsten" in der DDR gebauten Dieselloks (1976-78). Durch zunehmende Streckenelektrifizierung wurden immer mehr Dieselloks freigesetzt. Die BR 110 besaß bereits einen Dampfkessel für die Zugheizung. Mit dem Umbau beauftragt wurde das Reichsbahnausbesserungswerk (Raw) Stendal. Zum Umfang der Arbeiten gehörte der Einbau eines stärkeren Motors mit 883 kW (1200PS) Leistung, wie er für die BR 112 verwendet wurde. Damit die Achsfahrmasse von maximal 10 t eingehalten werden konnte, mußten die schmalspurigen Drehgestelle mit drei Achsen versehen werden. Weil letztendlich bei 64 t Dienstmasse die Achsfahrmasse 10,7 t beträgt, unterband die DR ein Verwiegen der Loks. Man hätte sonst das 1986 verfügte Einsatzverbot der beiden Dampfloks der BR 9610 wegen deren Achsfahrmassen von 10,7 t bei vollen Vorräten aufheben müssen. Durch die Schmalspurdrehgestelle waren auch Anpassungen am Antrieb (Gelenkwellen, Achsgetriebe) der Dieselloks notwendig. Die auf diese Weise entstandenen Schmalspurdieselloks erhielten gemäß Nummernschema der DR mit "199" beginnende Betriebsnummern. Die dreistellige mit "8" beginnende Ordnungsnummer der normalspurigen Variante wurde übernommen. Deshalb lautet die Baureihenbezeichnung dieser Schmalspurdieselloks "1998".

Obwohl das Lichtraumprofil der Harzquerbahn für den Transport von Normalspurwagen auf Rollwagen bemessen war, gibt es im Netz der HSSB Gleise (z.B. an Laderampen), die nicht von Loks der BR 1998 befahren werden dürfen.

Am 21.11.1988 traf auf normalspurigen Austauschdrehgestellen in Wernigerode als erstes die aus 110 863 entstandene Lok 199 863 ein. Nachdem die Lok auf die Schmalspurdrehgestelle gesetzt war, fand am 05.12.1988 die erste Probefahrt mit einem Zug zwischen Wernigerode und Drei Annen Hohne statt. Am 30. Dezember 1988 traf 199 871 als zweite Lok der BR 1998 in Wernigerode ein. Bei einer Probefahrt am 11.01.1989 nach Gernrode und Harzgerode befuhr erstmals eine 1998 die Strecken der Selketalbahn. Die Deutsche Reichsbahn plante, insgesamt 30 Loks umzubauen. Der Serienumbau begann Ende 1989. Bis Ende 1990 wurden weitere acht Loks der BR 110 zu Schmalspurloks umgebaut. Durch die politische Wende im Herbst 1989 und die Deutsche Wiedervereinigung brach der Güterverkehr auf den Harzer Schmalspurbahnen zusammen. Deshalb blieb es bei den zehn umgebauten Loks (861, 863, 870, 871, 872, 874, 877, 879, 891, 892).

Schnell hatten die Loks auch ihren Spitznamen 'Harzkamel' weg. Schaukelt die V100 im Normalspurbereich bereits nicht wenig, so verstärkt sich dieser Effekt bei der Baureihe 199 aufgrund der schmaleren Spur und der 10 cm höheren Lage noch. Der Lokführer kommt sich also wirklich vor, als säße er auf einem Kamel. Trotzdem wurde den Lokomotiven bereits 1990 eine hohe Beliebtheit beim Personal bescheinigt.

(Quelle: HP Selketalbahn)

ergänzt mit Angaben zum Antriebskonzept März 2008, Riehlein

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